Artikel in der Fachpresse vom April 2012
Mikrobiogasanlagen: Klein aber oho!

Kleine Biogasanlagen können rentieren. Das beweist Niklaus Hari. Er kommt mit der Gülle von 18 Kühen und ein paar Kälbern sowie etwas Kaffeesatz aus. Der Pionier ist überzeugt, dass Mikrobiogasanlagen gegenüber den Grossanlagen im Vorteil sind.

Mit 18 Mutterkühen und ein paar Kälbern im Stall eine Biogasanlage wirtschaftlich betreiben? Und das mit einer Fläche von 18 Hektaren Grasland in der Bergzone? Die Meinungen der Experten und Institutionen waren schnell gemacht: «Alles zu klein und nicht rentabel!» hiess es dort. Doch Biobauer Niklaus Hari aus Reichenbach im Kandertal blieb stur und baute seine kleine Biogasanlage trotzdem. Auf eigene Kosten. Und siehe da: sie läuft 25 Jahre später  immer noch. Und das erst noch mehr als kostendeckend. Die inzwischen mehrfach angepasste und verbesserte Mikrobiogasanlage – so nennt er sie –, erzeugt heute jährlich rund 40’000 Kilowattstunden Strom und etwa das Vierfache an Wärme. Mit dieser beheizt er den Gärbehälter und das Wohnhaus nebenan und schont so das Portemonnaie. Die für das Haus nötige über hundert Meter lange Fernwärmeleitung finanzierte Hari vor fünf Jahren ebenfalls aus der eigenen Tasche. Denn 20 Jahre nach den ersten erfolglosen Besuchen auf den Ämtern war der Tenor dort nämlich immer noch der Gleiche. «Anstatt einfache mit wenig Aufwand zu betreibende Mikrobiogasanlagen, fördern die Stromabnehmer und Ämter lieber Grossanlagen, die mit der Beschaffung von Substrat kämpfen», sagt Niklaus Hari und zuckt mit den Schultern. Eigentlich kann ihm das ja egal sein, denn seine Anlage erfüllt für ihn ja mehr als den Zweck. Doch er ist überzeugt: Mikrobiogasanlagen wären für ganz viele Landwirtschafts-Kollegen eine interessante Möglichkeit, ihre Gülle energetisch und finanziell zu veredeln. Und das, ohne tonnenweise Mist, Gülle und Substrate von aussen zuzuführen. Deshalb will der Biobauer sein Know-how auch anderen Bauern zur Verfügung stellen. Auch weil es die Experten der Energiefirmen und auf den Ämtern nicht tun.

Blockheizkraftwerk aus dem Internet
Am Anfang des Biogas-Abenteuers stand vor 25 Jahren ein simples von Hand aufgezeichnetes Prinzipienschema: Jauche fliesst vom Stall in den Gärraum, das Gas von dort in den Heizofen und das vergorene Material in das Gülle-Endlager. «Wir gingen mit viel Pioniergeist im Stil von Daniel Düsentrieb an den Bau der ersten Anlage», sagt Hari heute.  Umso grösser sei die Freude gewesen, dass die günstige Anlage tatsächlich funktionierte. In den ersten Jahren produzierte Hari mit dem Gas nur Wärme, die er vor allem für die Warmwasseraufbereitung nutzte. Bald war der Gärraum aber zu klein, zudem gab es Probleme mit dem Rühren der
Gülle. Im Rahmen des Neubaus der Scheune ergab sich ein paar Jahre später die Gelegenheit, die Anlage in einem Neubau zu optimieren. Der Gärraum war nun 50 m3 gross und das Rührwerk wurde fest installiert. Seinem Prinzip blieb Hari treu: Die Bauweise war immer noch bewusst einfach gewählt (Siehe Skizze). Bei  ihm ist deshalb auch kein oberirdischer Fermenter zu sehen sondern nur ein Gasballon. Dieser dient mit seinem Fassungsvermögen von rund 35 m3 als Ausgleichsgefäss für die täglich im Durchschnitt produzierten 120 m3 Gas. Und die Entwicklung der Anlage ging weiter: «Mit der Beigabe von Rüstabfällen und später von Kaffeesatz stieg die Gasproduktion stark an», sagt Hari. So stark, dass die Idee aufkam, neben Wärme auch Strom zu produzieren. Gesagt, getan: Im Internet kaufte er vor sieben Jahren für 3500 Franken ein gebrauchtes so genanntes Total Energy Module (Totem), ein von Fiat in den 80er-Jahren entwickeltes Klein-Blockheizkraftwerk auf Basis eines Fiat-Panda-Verbrennungsmotors. Das Totem macht aus Gas Wärme und Strom, bei einer Leistung von 15 Kilowatt elektrischer und 20 Kilowatt thermischer Energie. «Die Installation des Totems in der Werkstatt neben dem Stall war ganz einfach». Und die Überraschung war gross, als der Stromzähler rückwärts lief.

Keine zusätzliche Stromleitung nötig
Seit 2009 erhält Hari für den Strom die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) von 48,5 Rappen pro Kilowattstunde. Darin inbegriffen ist der Landwirtschaftsbonus, weil er neben der Gülle und etwas Strohhäcksel nur rund 15 Prozent Kaffeesatz als Co-Substrat verwendet. Für die Nutzung der Wärme erhält er zudem den Wärmebonus von 2,5 Rappen pro Kilowattstunde. «Jetzt rentiert die Anlage so richtig!» sagt Hari. Nur etwa zehn Prozent des Stroms braucht er selbst, den Rest gibt er ans Netz der Bernischen Kraftwerke (BKW) ab. Mit der Produktion von rund 40’000 Kilowattstunden Strom pro Jahr gilt Hari als Kleinproduzent. Deshalb war keine zusätzliche Strom-Leitung nötig, was zur Verteuerung der Anlage geführt hätte. Die Kosten halten sich aber sowieso im Rahmen: Hari kommt auf total rund  70’000 Franken inklusive Fernwärmeleitung. Nicht eingeschlossen ist darin das eigene Engagement. Nicht nur die Entwicklung braucht Zeit, sondern auch die Abstimmung der Anlage: «Die grösste Schwierigkeit ist es, die Bakterien im Griff zu haben.» Wenn man aber soweit sei, sei der Betrieb einfach aufrechtzuerhalten. «Das Ausgangsmaterial ist im Gegensatz zu den grösseren Biogasanlagen bei mir immer etwa gleich und erfordert nicht dauernd Anpassungen».
Saisonale Energie-Produktion
Eigentlich könnte Hari sogar noch mehr Energie produzieren, denn im Sommer ist der grösste Teil der Mutterkuhherde auf der Alp. Die Wärme- und Stromproduktion sinkt in dieser Zeit deshalb deutlich ab. Für ihn ist das aber kein Problem oder viel mehr normal: «Im Sommer brauche ich die Wärme für das Haus ja nicht!» Nur fünf Kühe bleiben unten, damit der minimale Betrieb der Anlage gewährleistet ist. Nie würde es ihm in den Sinn kommen, im Sommer zusätzlich Gülle oder andere Substrate zu beschaffen. «Die Mikrobiogasanlage passt perfekt in den Kreislauf unseres Betriebes.» Und kostendeckend sei sie trotzdem. Eine Beraterin der Lobag (Landwirtschaftliche Organisation Bern und angrenzende Gebiete) habe sogar einen Stundenlohn von 50 Franken berechnet. Nicht in Zahlen ausdrücken lässt sich die Qualität der vergorenen Gülle: Sie rieche viel weniger, enthalte viele Nährstoffe und sei viel besser verträglich für die Pflanzen, so Hari. «Selbst bei Güllegaben im Sommer verbrennt praktisch kein Halm.»

Rentable Anlage für kleine Betriebe
Bis jetzt gibt es in der Schweiz keine oder allenfalls nur wenige derartige Kleinbiogasanlagen. «Ich kenne niemanden in der Schweiz», sagt Hari. Für ihn unverständlich, denn diese dezentrale Art der Gülleverwertung vor Ort sei nicht nur ökologisch sinnvoller als viele Grossanlagen, bei denen Substrat manchmal von weither zugeführt werden müssten. Bei ihm falle mit der eigenen Gülle der grösste Teil des Substrates auf dem eigenen Betrieb an, der ganze Aufwand für die externe Substratbeschaffung falle weg.  Auch Hari verwendet jährlich rund 120 Tonnen Kaffeesatz als Co-Substrat aus der Industrie. «Damit steigt der Gasertrag um 40 Prozent». Doch Co-Substrate werden zunehmend knapp, weil immer mehr grosse Biogasanlagen ihre riesigen Fermenter füllen müssen. Bis jetzt erhält Hari vom Lieferanten des Kaffeesatzes noch eine Entsorgungsgebühr. Es ist aber gut möglich, dass er bald für das Co-Substrat bezahlen muss. Für ihn ist aber klar: «Ich werde nichts dafür bezahlen!» Viel mehr sucht er einmal mehr nach anderen Lösungen. Im Kopf hat er ein neues System aus Deutschland, das mit der reinen Vergärung von Gülle wirtschaftlich laufen soll. 

Kleinanlagen sind sinnvoll

Trotzt der genannten Vorteile fristen Mikrobiogasanlagen in der Schweiz immer noch ein Stiefmütterchendasein. Weshalb eigentlich? Eigentlich wisse er das auch nicht so genau, sagt Stefan Mutzner, Geschäftsführer des Verbandes der landwirtschaftlichen Biogasanlagen Ökostrom. Er würde es begrüssen, wenn die Bauern mehr in Klein- und Kleinstanlagen investieren würden. «Es ist ein grosser Vorteil, wenn man das Co-Substrat-Risiko nicht tragen muss», sagt Mutzner. Er sieht viel Potenzial bei reinen Hofdüngeranlagen. Weniger als fünf Prozent der Gülle würden bisher in der Schweiz energetisch genutzt. Mutzner rät den Landwirten aber auch bei Kleinanlagen, genau zu kalkulieren und allenfalls alternative Verkaufskanäle für den Ökostrom zu suchen. Der reine Marktpreis betrage zurzeit nur zwischen 7 und 10 Rappen pro Kilowattstunde Strom. Und bei der KEV bestehe zurzeit bei Biogasanlagen eine lange Warteliste.

Neue Anlage würde rund 150’000 Franken kosten
Auf rund 150’000 Franken schätzt Hari die Erstellung einer neuen ähnlich ausgelegten Anlage wie bei ihm. Der Gärraum könne unterirdisch oder oberirdisch gebaut werden. Allerdings würde er diesen deutlich grösser bauen als bei ihm: «So könnte das Gas noch effizienter genutzt werden». Ein neues Blockheizkraftwerk wäre zudem sicher teurer als seine Low-Budget-Lösung mit dem Totem. Nach 40’000 Betriebsstunden hält er zurzeit selbst Ausschau nach einem Nachfolger. «In Deutschland gibt es fertige Systemlösungen für kleine Blockheizkraftwerke», sagt Hari. Doch diese seien teuer und mit zu viel Schnickschnack ausgestattet. Eigentlich brauche es ja nur einen Motor und einen Generator, die gut miteinander harmonierten. Die Steuerung könne man separat kaufen. «Ein neues Blockheizkraftwerk dürfte so auf rund 30’000 Franken zu stehen kommen», sagt Hari. Die Mikrobiogasanlage in Reichenbach hat sich mittlerweile in landwirtschaftlichen Kreisen herumgesprochen. Fast wöchentlich schauen sich Landwirtschaftskollegen die Anlage im Berner Oberland an.

Beitrag von David Eppenberger